Hochbegabte sind häufig von Schuldgefühlen geplagt und fühlen sich schon als Kinder oft falsch, fehl am Platz und trotz Gesellschaft einsam.

Ich hoffe, Du bist gut ins neue Jahr gestartet und voller positiver Gedanken und Vorsätze.
Zum Jahresauftakt möchte ich heute mit Dir über ein Thema sprechen, das viele Hochbegabte ihr Leben lang begleitet.
Schon als Kinder fühlen sich Hochbegabte oft falsch, fehl am Platz und trotz Gesellschaft einsam. Die Einflüsse des Umfelds führen in weiterer Folge häufig dazu, dass sich Schuldgefühle aufgrund der Andersartigkeit entwickeln und wie ein roter Faden durch das ganze Leben ziehen. Vielen Betroffenen ist das gar nicht so direkt bewusst.
Ich möchte Dir daher heute zeigen, wie diese Schuldgefühle sich in Deinem Leben manifestiert haben, welche Auswirkungen sie auf Deinen Alltag haben und weshalb es sich für Dich lohnt, ab sofort neu zu denken.
Was wir als Kinder lernen
Ich möchte Dir gerne zur Veranschaulichung einen Schwank aus meiner Kindheit erzählen. Vielleicht kommen Dir ja einige Aspekte bekannt vor?
Bereits im Kindergarten hatte ich große Probleme, mich zu integrieren und anzupassen. Der tägliche Gang dort hin war für mich wahrlich eine Qual. Jeden Morgen habe ich meine Mutter angebettelt, nicht wieder in den Kindergarten zu müssen. Die anderen Kinder waren für mich anstrengend, zu laut, nervig und sie haben mich schlicht und einfach nicht interessiert. Langweilig fand ich es auch. Als dann der Übergang in die Schule kam wurde es nicht besser. Zum einen waren da die Probleme mit den Lehrern – keiner war bereit meine 1000 Fragen zu beantworten, mir alles in Ausführlichkeit zu erklären und breite Diskussionen über Hintergründe zu führen. Meine Denkweise sei falsch, ich müsse mich anpassen und „es muss nicht für alles einen Grund geben“ – das waren die Standardsätze, mit denen ich täglich konfrontiert war. In den Erwachsenen habe ich also keine Gesprächspartner gefunden, die auf einer Wellenlänge mit mir waren, obwohl ich mir das so sehr gewünscht hätte. Mein Vertrauen in Autoritätspersonen begann zu schwinden. Hinzu kam dann noch das soziale Umfeld – wieder Kinder, die mich nicht interessiert haben, mit denen ich mich nicht beschäftigen und auseinandersetzen wollte. Viel lieber war ich alleine in meiner spannenden Gedankenwelt unterwegs und grenzte mich immer mehr ab. Die Folge war großes Unverständnis und schließlich auch Ausgrenzung seitens der anderen Kinder. So wurde ich immer mehr zum Eigenbrötler. Zuhause hatte ich sehr oft Langeweile, konnte mich kaum eine halbe Stunde alleine beschäftigen und alles, was ich gemacht habe, musste einen Sinn haben. Meine Mutter wurde wegen meiner ständigen Sinn-Fragen fast wahnsinnig mit mir. Was für Eltern schon eine unfassbar große Herausforderung zu sein scheint, ist für hochbegabte Kinder ein Martyrium. Bereits im Kleinkindalter werden die Zweifel am eigenen Selbstwert genährt und im weiteren Verlauf des Lebens wird es nicht besser.
Als Kinder sind wir noch sehr formbar, bilden unsere eigene Persönlichkeit aus und lernen einen Großteil durch Nachahmen und den Vergleich mit anderen. Hier liegt auch schon der Knackpunkt verborgen.
Hochbegabte Kinder werden im Vergleich mit anderen Kindern aus ihrer eigenen Perspektive gesehen immer schlechter abschneiden.
Sie haben weniger soziale Kontakte und können sich ihr Anderssein nicht erklären.
Sie entsprechen nicht den Maßstäben anderer.
Sie werden von den Erwachsenen (Eltern, Erzieher, Lehrer) häufiger geschimpft, weil sie nicht so funktionieren wie andere Kinder.
In sozialen Kontakten mit Gleichaltrigen sind sie immer anders, fast „außerirdisch“ mit ihren ausschweifenden, allumfassenden Gedanken und ihrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
In der Schule wird ihr andersartiges Denken nicht verstanden und in weiterer Folge mit schlechten Bewertungen und Noten abgestraft.
Sie nehmen mit ihrem sensiblen Verstand alles, was in ihrem Umfeld geschieht, sehr genau wahr und bemerken, dass sie vollkommen atypische Interessen haben und beginnen an sich selbst zu zweifeln.
Sie fühlen sich häufig für dumm verkauft und bestraft, wenn sie aus ihrer Sicht sinnbefreite und überflüssige Aufgaben erledigen sollen.
Sie sorgen sich oft um Dinge, denen andere Kinder sich in keiner Weise überhaupt bewusst sind.
Bereits in dieser frühen Phase entwickeln sich also Schuldgefühle. „Ich bin schuld daran, dass ich immer geschimpft werde. Ich bin schuld daran, dass ich mit den anderen Kindern nicht so gut zurechtkomme. Ich bin schuld daran, dass andere überfordert und wütend sind wegen mir.“ Da die emotionale mit der geistigen Entwicklung nicht Schritt halten kann, gibt es sehr viele Hürden zu überwinden, die gleichzeitig gefühlsmäßig aber nicht verarbeitet werden können. Die Folge ist, dass Kinder sich selbst die Schuld für alles, das ihnen widerfährt, geben – sie können es schließlich in ihrem zarten Alter nicht besser wissen.
Die Lektionen, die hochbegabte Kinder spätestens im Schulalter gelernt haben, sind:
Deine Art zu denken ist nicht gewünscht.
Wenn Du etwas nicht gesellschaftstauglich erklären kannst, halte lieber den Mund.
Du störst.
Deine Denk- und Handlungsweise ist vollkommen paradox.
Passe Dich an und gehe konform – oder gehe unter.
Lasse niemanden von Deiner Andersartigkeit und Intelligenz wissen, die Leute werden schlecht über Dich denken und reden.
Vertraue niemandem.
Beginne nicht zu diskutieren und zu argumentieren, der Keks (Erwachsener) wird den Krümel (Kind) ohnehin zum Schweigen bringen.
Wie sollen nun aus diesen hochbegabten Kindern, die schon im jungen Alter so stark mit Selbstzweifeln und Schuldgefühlen behaftet sind, selbstbewusste, glückliche Erwachsene werden?
Was uns als Erwachsene umtreibt
Wenn Du einmal genau überlegst und meine Ausführungen auf Deinen Alltag als hochbegabte(r) Erwachsene(r) überträgst – kannst Du Parallelen sehen? Sehr viele der Glaubenssätze und Überzeugungen, die wir uns als Kinder angeeignet haben, ziehen sich durch unser gesamtes Leben und selbst unserem erwachsenen Verstand gelingt es häufig nicht, sie als solche zu entlarven und außer Gefecht zu setzen.
Hochbegabte Kinder unterliegen mehr als normalbegabte Kinder der Illusion, dass „als Erwachsener alles besser wird“. Die Ernüchterung stellt sich schnell ein, wenn das Erwachsenenalter dann erreicht ist. Die Welt sieht nach wie vor gleich aus, die Menschen sind gleich und auch der Umgang mit ihnen als Person scheint unverändert. Das Schwierige an der Sache ist, dass man als hochbegabte(r) Erwachsene(r) trotz der Möglichkeit autonomen Handelns noch viel untröstlicher ist als im Kindesalter – schließlich gibt es nun auch keinen elterlichen Schutz mehr und man hat das Gefühl, nun völlig auf sich allein gestellt zu sein in dieser „bösen Welt“.
Die Probleme und unterschwellige Schuldgefühle nehmen also im Erwachsenenalter nochmal eine ganz andere Dimension an und der Wunsch nach einem „ganz normalen Leben“ verfestigt sich von Tag zu Tag.
Hochbegabte, die erst als Erwachsene von ihrer Hochbegabung erfahren, haben viele Aha-Erlebnisse und Vieles, das sie in ihrer Kindheit umgetrieben hat, scheint nun glasklar. Jeanne Siaud-Facchin schreibt in ihrem Buch „Zu intelligent, um glücklich zu sein?“ ganz treffend: „Es ist ein wenig, als besuche man ein Museum noch einmal, in dem man die Bildbeschreibungen zu den Gemälden verändert hat. Die Bilder sind dieselben, doch ihre Erklärung hat sich verändert.“
Die gute Nachricht ist, dass uns als Erwachsenen wesentlich mehr Ressourcen, Alternativen und Möglichkeiten zur Verfügung stehen als im Kindesalter. Die schlechte Nachricht ist, dass wir diese aus Angst, Gewohnheit oder Bequemlichkeit oft nicht nutzen und stattdessen in unseren alten Denk- und Handlungsmustern stecken bleiben.
Der Schlüssel zum Glücklich- und Frei-Sein ist es, für alles in unserem Leben Verantwortung zu übernehmen. Natürlich können wir manche äußere Umstände, unsere Vergangenheit und andere Menschen nicht verändern. Was wir aber sehr wohl beeinflussen können sind unsere Gedanken, Handlungen und Reaktionen auf genau diese Umstände und Menschen. In dem Moment, in dem wir uns dessen bewusst werden, haben wir die Macht, uns von all dem zu lösen, was uns belastet – wir sind keine Opfer mehr.
Unabhängig davon, ob Du selbst hochbegabt und erwachsen oder Elternteil eines hochbegabten Kindes bist, lade ich Dich ein, einmal eine andere Perspektive einzunehmen.
Denke neu!
Aus meiner Sicht ist es für uns Hochbegabte exorbitant wichtig, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen und unseren Selbstwert zu pflegen. Wir sollten akzeptieren, dass ein Großteil der Menschheit uns wohl niemals verstehen wird – was auch vollkommen legitim ist, da Normalbegabten unsere Sicht auf die Welt und unsere Gedankengänge schlichtweg nicht zugänglich sind. Um Deine Schuldgefühle als Hochbegabte(r) abzulegen, empfehle ich Dir, Dir eigene Strategien im Umgang mit der Normalwelt zuzulegen und diese - sofern Du Elternteil bist - auch Deinen Kindern mitzugeben.
1. Tu es im Alltag einer Teflon-Pfanne gleich.
Es wird immer Menschen geben, die Dich nicht verstehen, die Deine Andersartigkeit und damit verbunden Deine Person kritisieren und versuchen, Dir Steine in den Weg zu legen. Eine Teflon-Pfanne lässt dank ihrer Beschichtung alles an sich abperlen. Diese Beschichtung solltest Du in Deinem Leben gut pflegen, sogar aufbauen, indem Du Dir immer wieder bewusst machst, dass Du genau so wie Du bist gut bist. Versinke nicht in Selbstmitleid über die vielen Kratzer in Deiner Beschichtung, die Deine Lebensgeschichte Dir gebracht hat, sondern beginne jetzt, sie ab sofort gut zu pflegen. Wenn Du Elternteil bist, bestärke Dein Kind in genau diesem Denken.
Du alleine entscheidest, worauf Du Deine Aufmerksamkeit richtest und was du somit in Deinem Leben vermehrst. Victor Frankl sagte: „Die letzte aller menschlichen Freiheiten ist die, seine Einstellung in jeder gegebenen Situation selbst zu wählen.“
2. Hör auf, Dich zu vergleichen!
Wir Menschen sind es von Kindesbeinen an gewohnt, zu vergleichen und verglichen zu werden. Wenn Du einmal Deinen Wunsch nach einem „ganz normalen Leben“ und dem „etwas dümmer sein“ realistisch und ehrlich hinterfragst wirst du schnell merken, dass das nicht das Gelbe vom Ei ist. Im Vergleich mit anderen ziehst Du aus Deiner Perspektive häufig den Kürzeren, weil Deine Non-Konformität Dir den Alltag und das Leben in unserer „normalen“ Gesellschaft erschwert. Egal wie dumm Du bist oder wie normal Dein Leben ist – es wird dennoch immer Menschen geben, deren Leben Du für erstrebens- und bewundernswerter als Dein eigenes hältst. Vergleiche führen zu nichts außer Unzufriedenheit. Beurteile Dich nach Deinen eigenen Maßstäben und messe Dich an der besten Version Deiner Selbst. Du bist einzigartig und Deinen Platz kann kein anderer Mensch auf dieser Welt einnehmen.
3. Wünsche jedem das Beste.
Hinter jeder Handlung steht eine positive Absicht. Das hört sich für Dich im ersten Moment jetzt vermutlich furchtbar komisch, paradox und vielleicht sogar blöd an. Wälze diesen Satz einmal etwas in Deinem Kopf und sieh, was geschieht. Jeder Mensch und jedes Lebewesen handelt zu jeder Zeit nach bestem Wissen und Gewissen und hat dabei immer eine für sich positive Absicht. Wenn Dich jemand kritisiert, anschreit und fertig macht, ist seine positive Absicht dabei, dass er sich selbst besser fühlen möchte. Die so genannten „bösen Absichten“ gibt es meiner Meinung nach nicht. Keiner tut etwas der anderen Person wegen, sondern immer nur für sich selbst. Wenn Du das verinnerlichen kannst und hier einen Perspektivwechsel schaffst, wird schlagartig alles leichter. Wünsche allen, denen Du begegnest, fortan das Beste – unabhängig davon, wie Du Dich von ihnen behandelt fühlst. Vergib ihnen ihre Fehler, zum aktuellen Zeitpunkt können und wissen sie es nicht besser.
4. Mach Dich frei von Selbstkritik.
Du selbst bist der Mensch, der Dir am nächsten steht. Das geht zwangsläufig damit einher, dass Deine Selbstkritik Dir auch am meisten wehtut. Mach es Dir nicht unnötig schwer. Du kannst nicht aus Deiner Haut fahren oder jemand anderes sein. Sei gut zu Dir selbst. Du bist nicht für immer auf dieser Welt und Deine Zeit ist stark limitiert. Was hast Du davon, wenn Du ständig an Dir selbst zweifelst und mit Dir schimpfst? Ändere, was Du ändern kannst, kenne Deine Schwächen und stärke Deine Stärken. Alles andere ist Zeitverschwendung.
Ich hoffe sehr, dass dieser Beitrag etwas dazu beigetragen hat, Dir die Augen zu öffnen für ein paar Dinge, die Du möglicherweise vorher nicht sehen konntest.
Du willst noch mehr wissen? In diesem Beitrag findest Du weitere Ausführungen zum Thema Glaubenssätze und wie sie Dein Leben beeinflussen.
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